„Bei uns sind alle willkommen. Hier wird niemand zurückgelassen“

Lisa Kuesters gründet erst im Frühjahr 2025 The Female Run Club – zunächst um Hamburg als ihr neues Zuhause kennenzulernen. Heute schaut sie zurück auf den Startschuss und erzählt von Beharrlichkeit und Motivation.


Lisa Kuesters ist Gründerin von The Female Run Club

„Hier bin ich noch nie gewesen“, sagt Lisa, nachdem sie sich ihren Hafermilch-Cappuccino bestellt. Beides ist typisch für sie, wie ich später erfahren werde. Die 33-jährige Münsteranerin nennt Hamburg erst seit anderthalb Jahren ihre Heimat – ganz klar, dass sie noch nicht jede einzelne Ecke der Hansestadt auskundschaften konnte. So auch noch nicht unseren Treffpunkt, das Café Mitte Hamburg in St. Georg. Die Lust, Neues auszuprobieren, ist Lisa von Anfang an anzumerken. „Mein Mann und ich wollten einfach mal etwas anderes. Wir wollten den größtmöglichen Kulturschock“, erzählt sie über ihren Tapetenwechsel. „Das hat nicht so gut geklappt – eigentlich sollte es nämlich Berlin werden“, ergänzt sie lachend. Ein Grinsen verrät, dass sie mit ihrem jetzigen Zuhause anscheinend doch mehr als zufrieden ist. Das selbstständige Business im E-Commerce macht sie flexibel und schafft im Januar 2025 den Raum für eine neue Idee: ein Laufclub für Frauen, The Female Run Club.

Im Rahmen der „The Ridiculous Run“-Kampagne von Adidas kommen 2023 Zahlen ans Licht, die auch Lisa zutiefst erschüttern. Neun von zehn Frauen sorgen sich beim Joggen um ihre Sicherheit. Diese Sorge ist nicht unbegründet: Mehr als ein Drittel von ihnen hat dabei schon verbale oder körperliche Belästigung erfahren. Der Laufclub soll genau diese Angst nehmen. „Und das ist nur einer der Gründe, weshalb jede einzelne Stadt The Female Run Club gebrauchen könnte“, meint die Gründerin. Viele unterschätzen, wie sehr eine Gemeinschaft von Frauen beflügeln kann. Weniger Performance-Druck, weniger Schamgefühle und doch ein Miteinander, indem alle über sich hinauswachsen können. Lisas Idee entsteht auch aus persönlichen Gründen: Als Zugezogene erscheint ihr die Stadt am Anfang noch fremd – beim gemeinsamen Laufen entdeckt sie nicht nur ihre neuen Lieblingsorte wie die Strecke vom Altonaer Balkon bis nach Blankenese, sondern auch die Geschichten vieler neuer Gesichter. „Ich habe so viele spannende Frauen durch unsere Treffen kennenlernen dürfen. Durch diese Community fühlt sich Hamburg für mich heimisch an“, schwärmt sie.

Es war einmal ein kleiner Lauftreff mitten in Hamburg

Ein Instagram-Aufruf und eine Frau, die erscheint. Heute schmunzelt Lisa über die Anfänge von The Female Run Club, die sich kommenden Monat jähren. „Zum Glück konnte ich damals noch ganz spontan jemand dritten überzeugen, einfach mitzulaufen, weil sie das Konzept so toll fand“, erzählt sie lachend. Mittlerweile laufen nicht nur die Hamburgerinnen regelmäßig um die Alster, in Planten un Blomen und an der Elbe, sondern auch in Berlin und Münster wurde der Startschuss gesetzt. Den Lauf in Altona begleitet die Gründerin, die gerade für ihren ersten Marathon trainiert, wöchentlich noch selbst. An den anderen Standorten vertraut sie auf ihre sogenannten Local Leads, Guides, die die Strecken kennen und darauf achten, dass alle zusammenbleiben. „Alles ist ehrenamtlich! Sie sind dabei, weil sie einfach richtig Bock darauf haben“, sagt Lisa stolz. Niemand muss Angst haben, nicht reinzupassen oder nicht mitzukommen, denn „bei uns sind alle willkommen. Hier wird niemand zurückgelassen“. Beginner Runs mit ruhiger Pace, vielfältige Frauen, gemeinsame Coffee-Breaks und coole Rabattaktionen bei städtischen Cafés und Co. – Lisa kreiert Girlhood vom Allerfeinsten. Eine Verbundenheit, die auch immer mehr Frauen von Außerhalb zu den Läufen in die Stadt zieht.

Die 33-Jährige selbst läuft seit zehn Jahren – nicht nur gerne bei den gemeinsamen Treffen des Runclubs, sondern auch allein. Am allerliebsten ohne Kopfhörer, ohne Playlist, nur mit sich und ihren Gedanken. „Teilweise komme ich sogar in eine Art meditativen Zustand. Dann fühle ich mich fast schon mit den Elementen verbunden“, sie lacht sofort über sich selbst: „Das klingt ja total pathetisch“. Durch den Run Club erhofft sie sich, dass auch möglichst viele andere Frauen dieses Hoch erleben können. „Es ist immer so schön zu hören, wenn viele auch außerhalb des Runclubs starten oder alleine über sich hinauswachsen“. Doch Lisa selbst läuft nicht nur zum Spaß: Sie läuft, um ihren unermüdlichen Ehrgeiz zu stillen. Sie läuft, weil es ihrer mentalen Gesundheit guttut, weil es sie Überwindung lehrt, auch in Alltagssituationen, und weil sie nun weiß, wann sie auf ihren eigenen Körper hören muss. Sie läuft, weil es sie an ungeahnte Orte bringt. Und dort ist sie ja bekanntlich am liebsten.

Matilda Kastien

Matilda Kastien

Obwohl Matilda gebürtig aus Hamburg kommt, wusste sie die Stadt nicht immer zu schätzen. Bei „Women of Hamburg“ kann sie ihre Leidenschaft fürs Schreiben mit ihrem Interesse an starken Frauen, emotionalen Geschichten und ihrem Sinn für Ästhetik kombinieren.

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