Susanne Hasenjäger kennt Hamburg seit Mitte der 80er. Als Moderatorin beschäftigt sie sich beruflich mit Musik und weiß genau, wo dieser Zeitgeist noch spürbar ist. Von den Kultclubs der Großen Freiheit bis in die kleinen Clubs der Schanze – hier hat sie die Bands begleitet, die die Hamburger Schule prägten, und Kiez-Legenden getroffen. Über intelligente Mädchen und schöne Parties, von coolen Platten und handküssenden Greisen.

Susanne Hasenjäger aus Langenhorn
Es ist 13 Uhr auf der Großen Freiheit. Ungewöhnlich früh für diese Ecke Hamburgs, in der man meist nach Einbruch der Dunkelheit unterwegs ist. NDR-Moderatorin Susanne Hasenjäger wartet am Eingang des Indras, den Betreiber Sam extra für das Interview geöffnet hat. „Ich finde, hier herrscht eine ganz besondere, geschützte Atmosphäre. Ich fühle mich nicht überall auf dem Kiez so wohl, aber hier ist es friedlich, ausgelassen und respektvoll. Das ist selten“, sagt sie, während sie sich an den Stehtisch im Barbereich lehnt. Zwischen der Kiez-Atmosphäre fällt sie auf: Ihre offene, gewellte braune Mähne fällt locker über die Schultern, sie legt ihren bunten Schal ab und ihre noch bunteren Ringe funkeln im Licht des Clubs.
Hamburg hatte Susanne schon immer gereizt: das Anglophile, die damalige Fährverbindung nach Harwich, die Musik, die diese Stadt seit den 60er-Jahre ausmacht. „Hamburg war für mich immer eine Stadt mit einer besonderen Ausstrahlung – wegen der Beatles natürlich und des internationalen Flairs.“ Ihr Lieblingslied der Liverpooler Jungs ist „Blackbird”, diesen Song versuchte sie als Jugendliche auf der Gitarre zu spielen. Zurück in ihre Heimat Braunschweig wollte sie nach ihrem Studium nicht mehr, stattdessen ging sie ab Mitte der 80er Jahre als Radiomoderatorin beim NDR unter Klaus Wellershaus auf Sendung und zog auf die Sternschanze.
„Am liebsten mag ich das Indra, wenn mir Sam einen Weißwein ausgibt!“
Das Indra ist für Susanne mehr als ein Club – es ist eine musikalische Institution auf St. Pauli, ein Ort, wo sie gerne Stammgast ist. Hier spielten die Beatles erstmals in Deutschland und wurden weltweit berühmt. Auch heute wird die musikalische Geschichte weitergetragen. Beim 60-jährigen Jubiläum des legendären Star-Clubs wurde der Stern, das einstige Erkennungsmerkmal des Clubs, auf die Bühne gebracht – acht Leute trugen ihn durch die Hintertür des Clubs, darunter Sam und einige Bauarbeiter. Susanne moderierte die Show. „Die größte Angst war, dass die Fascher-Brüder erschlagen werden“, erzählt sie und lacht bei der Erinnerung. Horst Fascher, Kiez-Legende, Boxer, Musikproduzent und Gründer des Star-Clubs, steht für die alten Reeperbahn: ein Ort voller Skandale, mit Luden und Legenden. „Ich finde den ja zuckersüß, der stellte sich mit Handkuss vor. In den 60ern war der ein knallharter Typ! Das war noch der dunkle Kiez!“
Susanne beobachtet die Hamburger Musikszene seit Jahrzehnten mit klarem Blick. Tocotronic, Bernd Begemann, die frühen Künstler um Tobias Levin – sie alle faszinieren sie, weil die Musiker nicht nur Songs schrieben, sondern über Gesellschaft, Sprache und Haltung diskutierten. Auch deswegen wurde der damalige Diskurs-Pop angelehnt an Adorno die „Hamburger Schule“ genannt: „Die Musiker haben sich Gedanken gemacht, es war reflektiert. Das hat mich total bewegt.“ Und obwohl sie viele der Musikerinnen persönlich kennt, bleibt sie in ihrer Rolle als Moderatorin nur eine Beobachterin, die die Geschichten weitergibt. Man kann doch eh nicht an seine persönlichen Götter heranreichen: „Diese Mischung aus Nähe und Distanz macht den Beruf so spannend“.
Auch heute ist die Stimmung der Hamburger Musikszene spürbar. An Orten wie dem Kult-Club Logo, der dank neuer Lüftungsanlage seinen charmanten Spitznamen die „größte gemischte Sauna Hamburgs” ablegen konnte. Aber auch hier im Indra lebt der Spirit der Vergangenheit weiter. „Früher war die Stadt freier, wilder, vielleicht auch chaotischer. Aber Hamburg bleibt trotzdem besonders – es gibt immer immer noch Menschen, die was bewegen wollen“. Susanne schätzt Stadtteile, die nicht auf dem Radar liegen: Wilhelmsburg, Barmbek und auch Langenhorn, wo sie gerade erst frisch hingezogen ist. Auf ihre Zeit in der Schanze blickt sie nicht melancholisch zurück. Auch heute begeistert sie sich für die Vielfalt der Musikszene: Ob Ilgen Nur oder Nina Chuba – der musikalische Geist der hanseatischen Metropole lebt weiter und Susanne hat sie weiter im Blick.
