„Fernweh war meine Ausrede, um Heimweh zu verstehen“ 

Nach etwas Abstand entscheidet sich Matilda noch einmal ganz bewusst für die Stadt, deren Hafen ihr Herz höherschlagen lässt – obwohl Hamburg für sie lange eine Selbstverständlichkeit war.

Matilda Kastien, 23, „Women of Hamburg“-Autorin 

 „Der Hafen macht Hamburg besonders.“ Das klingt wie eine alte, verstimmte Leier, die stolze Norddeutsch-Neulinge immer wieder gerne spielen. Ich denke nicht unbedingt anders – obwohl der Geburtsort „Hamburg“ meinen Personalausweis ziert. Denn bei jedem Blick auf den Hafen flattert mein Magen, als wäre ich frisch verliebt. Die ganz große Liebe wird mir dann bewusst, wenn ich auf meiner unregelmäßigen Elbe-Joggingrunde einen Meeresriesen beim Auslaufen aus dem Cruise-Terminal erwische. Sofort bin ich gedanklich bei den Passagieren, die im Takt der Musik von ihren Balkonen in die ganze Stadt hinauswinken. „Wenn sie wiederkommen, werden sie Hamburg dann, wie ich, auch mit anderen Augen sehen?“, frage ich mich still.

In Hamburg sagt man „Tschüss“ – Ich sage „Willkommen zurück“ 

Diese Stadt war lange meine ganz persönliche Selbstverständlichkeit. Und genau wie es auch in Sachen Liebe ist, habe ich festgestellt, dass man manchmal ein paar Schritte weitergehen muss, um festzustellen, was man die ganze Zeit vor Augen hatte. Mein Leben lang war Hamburg einfach nur da, immer eine Option, immer ein Ort, wo man sein könnte. Das klingt privilegiert, sogar leicht versnobt, und vielleicht war es das damals auch. Ich ging weg, um mir selbst zu beweisen, dass auch ein anderer Ort wie mein Zuhause sein könnte. Erst zum Studium nach Münster, dann arbeitete ich als Kellnerin auf einem Kreuzfahrtschiff und durfte dabei die halbe Welt sehen. Sechs Monate lang stumpfes Arbeiten, lange Party-Nächte mit neuen Leuten, den Kopf freimachen und sich auf dem Weg irgendwo selbst finden – das fasst es ganz gut zusammen.

Doch kann sich ein anderer Ort wirklich wie meine Heimat anfühlen? Das Projekt „Women of Hamburg“ nimmt das Ende der Geschichte leider vorweg. Denn mit jedem Blick aufs Wasser, jeder salzigen Brise und jedem öligen Gestank merke ich: Diese Stadt ist und bleibt mein Zuhause. Ich habe mich komplett gelöst und dann wieder zurückgefunden. Ein Wandel von der Stadt, die immer da war, zu dem Ort, an dem ich bewusst mein Leben leben möchte. Hier möchte ich weitere emotionale Geschichten erleben und im besten Fall darüber schreiben. Also greife auch ich von Zeit zu Zeit gerne wieder zu meinem verstimmten Saiteninstrument und spiele mir selbst ein kleines Liedchen: „Hamburg – ein Hafen von heut. Hamburg – das Tor zur Welt“…

Matilda Kastien

Matilda Kastien

Obwohl Matilda gebürtig aus Hamburg kommt, wusste sie die Stadt nicht immer zu schätzen. Bei „Women of Hamburg“ kann sie ihre Leidenschaft fürs Schreiben mit ihrem Interesse an starken Frauen, emotionalen Geschichten und ihrem Sinn für Ästhetik kombinieren.

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